SPD: Schulen brauchen die Hilfe von Sozialarbeitern

Blick ins SGB VIII, das Fragen der Jugendhilfe regelt (von links): SPD-Kreisvorsitzende Sabine Balleier, Jugendhilfe-Experte Jürgen Keller und der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Kreistag, Karlheinz Paulus
Steffen Salvenmoser

08. Februar 2025

Jugendhilfe: Miltenberger Kreistagsfraktion spricht sich für Ausweitung der JaS auf Gymnasien aus – Immer mehr Schüler mit Problemen

Kreis Miltenberg. Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) auch für die drei Gymnasien Erlenbach, Elsenfeld und Amorbach: Was der Jugendhilfeausschuss des Kreises Miltenberg Ende vergangenen Jahres klar empfohlen hat, muss nun im Haushaltsplan für 2025 verankert werden. Der Kreistag muss mit dem Beschluss des Etats mehr Geld für drei neue Stellen bereitstellen. Keine einfache Entscheidung in der aktuellen Finanzsituation. Dennoch ist die SPD-Fraktion im Kreistag überzeugt: „Wir brauchen die JaS auch an Gymnasien.“ 

Mit diesen Worten fasst Fraktionssprecher Karlheinz Paulus die Ergebnisse eines Informationsabends in Wörth mit dem Experten Jürgen Keller und der anschließenden Diskussion zusammen. Jürgen Keller ist Bereichsleiter der evangelischen Kinder- und Jugendhilfe bei der Diakonie Würzburg, die in Zusammenarbeit mit den Jugendämtern verschiedene Aufgaben in der Jugendhilfe übernimmt. „Es gibt nichts, was besser ist als Jugendsozialarbeit an Schulen“, sagt Keller.  „Sie ist schnell, und sie ist nah dran. Sie ist ein niedrigschwelliges Angebot, und die Sozialarbeiter dürfen Familien auch zu Hause aufsuchen.“ Die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Jugendämtern sei nie so gut gewesen wie seit der Einführung der JaS. SPD-Kreisvorsitzende Sabine Balleier ergänzt aus Gesprächen mit Schul- und Jugendamt im Kreis Miltenberg, dort sei die Erfahrung, dass die Sozialarbeiter an den Schulen viele Fälle schnell auflösen könnten,  bevor der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) des Jugendamtes eingreifen müsse. 

Keller hatte zuvor ein düsteres Bild von der Entwicklung in der Jugendhilfe in Deutschland gezeichnet. Die Erziehungsberatungsstellen hätten inzwischen „unendlich lange Wartezeiten“, in den Wohngruppen der Diakonie gehe es nicht mehr nur um Vernachlässigung, sondern zu 90 Prozent um psychische Erkrankungen – bei den Kindern selbst und auch bei den Eltern. Die Zahl der Inobhutnahmen gehe insgesamt nach oben, und die Unterbringungen dauerten länger. „Beängstigend“ sei, dass die Kinder zugleich immer jünger würden: „2024 haben wir 30 Kinder in Obhut genommen, die jünger waren als sechs Jahre“, sagte Keller. „Unter ihnen waren fünf oder sechs Säuglinge.“ Das Einzige, was rückläufig sei, sei die Jugendarbeit, weil die Kommunen sich dieser Aufgabe in finanziell schwierigen Zeiten am leichtesten entledigen könnten.

Die Corona-Pandemie habe zu einer Verschärfung dieser Problematik geführt. Die Zahl der psychischen Erkrankungen habe überall zugenommen. In der Pandemie habe es einen neuen Spitzenwert gegeben, „aber die Zahlen sind seitdem nicht wieder gesunken“. Depressionen seien mittlerweile die zweithäufigste Ursache dafür, dass Kinder ins Krankenhaus kämen.

Das Schulamt in Miltenberg bestätigt diesen Eindruck. Sabine Balleier berichtet aus ihrem Gespräch von einem massiven Anstieg an psychischen Auffälligkeiten. Das Schulamt registriere vermehrt Depressionen und Angststörungen, die dazu führten, dass Kinder der Schule fernblieben – in manchen Fällen ein ganzes Jahr. Zugleich fehlten Therapieplätze, so dass Kinder und Jugendliche sechs Monate und mehr auf Hilfe warten müssten. Das Schulsystem biete wenig Möglichkeiten, diese Kinder aufzufangen. Die Lehrkräfte seien damit überfordert. In diesen Fällen könne die JaS eine wertvolle Unterstützung sein, auch wenn Sozialarbeit eine Therapie natürlich nicht ersetzen könne. Dazu sagte ein Lehrer in der Diskussion: „Bei Problemen können sie JaS-Kräfte einzelne Schüler herausnehmen und sich um sie kümmern, so dass der Lehrer sich weiter auf die Gruppe konzentrieren kann.“ Das sei sehr hilfreich.

Schulamtsdirektor Ulrich Wohlmuth und Stefan Adams, im Landratsamt zuständig für Jugendsozialarbeit an Schulen, seien sich einig, dass die Kosten für die Jugendhilfe ohne die JaS deutlich nach oben gehen würde, berichtete Balleier. Inzwischen gebe es in jeder Klasse und in jeder Schulform auffällige Kinder. Die verbreitete Meinung, Gymnasien seien von derartigen Problemen nicht oder kaum betroffen, sei nicht richtig, ergänzte Karlheinz Paulus. Das bestätigte eine Schülerin beim Informationsabend der SPD: „Die Krisen, die wir durchmachen, belasten auch die Schüler an Gymnasien“, sagte sie. „Wir wissen ja, was in der Welt passiert. Und psychische Krankheiten resultieren auch daraus, was uns in der Welt erwartet.“

Jürgen Keller sieht das ähnlich: Im Landkreis Würzburg habe es zwei Suizide von Schülern an Gymnasien gegeben. Und gerade an diesem Mittag habe er einen Anruf von einem Gymnasium erhalten, das darum gebeten habe, eine Kindeswohlgefährdung abzuklären. Das Kind spreche seit Tagen nicht mehr und verletze sich selbst.

Diese Fälle zeigten, dass es auch an Gymnasien richtig sei, den Lehrkräften Schulsozialarbeiter zur Unterstützung an die Seite zu stellen, ist Karlheinz Paulus überzeugt. Die SPD-Fraktion will sich in den laufenden Haushaltsberatungen für die entsprechenden Stellen stark machen.

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