Obernburg. Eigentlich gibt es noch keinen reinen Naturwald in Obernburg, aber Teilflächen, die aus der Bewirtschaftung herausgenommen wurden. Darunter die seit Jahrzehnten sich nahezu selbst überlassene Fläche des Grabens im Tiefental. Nur die Wege werden freigeschlagen, um sie begehbar zu halten. Das erfuhr eine Delegation mit rund 20 Teilnehmern am Sonntagvormittag beim knapp dreistündigen Wandern entlang des schmalen Pfads oberhalb der Schlucht parallel zum Pflaumheimer Weg.
Der SPD-Ortsverein Obernburg-Eisenbach-Mömlingen mit seinem Vorsitzenden Michael Becker an der Spitze hatte zu der Exkursion eingeladen und fachkundige Führer gewonnen: Forstdirektor Berthold Ort (Bürgstadt) vom Amt für Ernährung von Landwirtschaft und Forsten, zuständig für die Betriebsleitung sowie den Forsttechniker Marhold Graner (Mömlingen) verantwortlich für die Betriebsausführung des Obernburger Stadtwalds. Mit dabei waren auch Thomas Stolzenberger vom Bund Naturschutz, ein glühender Verfechter des Naturwaldgedankens sowie Roland Arnold und Marion Becker vom Vorstand der Bündnisgrünen. Vom SPD-Kreisverband nahmen die neue Chefin Helga Raab-Wasse (Erlenbach) und der Juso-Kreisvorsitzende Jörg Pischinger (Großwallstadt) an der Exkursion teil. Weiterhin waren auch Obernburger und auswärtige Interessierte gekommen.
Immer wieder entspann sich bei der Begehung eine Grundsatzdiskussion über das Naturwaldthema, das laut Ort aktuell angesichts der Nationalparkdiskussion im Spessart sehr emotional geführt wird. Er hielt an seiner Meinung fest, dass die Artenvielfalt nicht gefördert wird, wenn man der Natur alles überlässt. Er prognostizierte, dass die Buche alle anderen Baumarten zurückdrängt und vertrat die Auffassung, eine behutsame Waldbewirtschaftung kann wesentlich effektiver für den Naturschutz ist. Den monetären Aspekt klammerte er bewusst aus, weil er seiner Meinung nach nichts bei einer sachlich geführten Diskussion über Biodiversität (Artenvielfalt) verloren hat.
Stolzenberger hielt Ort entgegen, dass die geringe Naturwaldfläche von maximal zehn Prozent der Gesamtfläche eines Kommunalwaldes immer noch genug Freiraum für die Bewirtschaftung und konventionelle Pflege lasse. Buchen hätten dann die Chance ein deutlich höheres Lebensalter zu erreichen als in bewirtschafteten Flächen. Im Tiefen Tal ist dieser Laubbaum allerdings nur hie und da vertreten. Laut Ort herrscht hier eine recht seltene Waldgemeinschaft vor, wo Esche und Ahorn dominant sind. Im vorderen an das Wohngebiet grenzenden Abschnitt war vor über 60 Jahren von Schülern eine Bepflanzung vorgenommen worden. Den Teilnehmer wurde bewusst gemacht: Bevor Kohle und Öl im Zuge der Industrialisierung den Brennstoff Holz abgelöst hatten, war auch das Tiefental von der Bevölkerung zum Holzeinschlag genutzt worden. Heute kein Thema mehr, denn das Gelände ist durch die tiefe Schlucht für die Bewirtschaftung nicht sonderlich geeignet.
Bei der Begehung lernten die Teilnehmer einige Pflanzenarten kennen, die in der Roten Liste als vom Aussterben bedroht aufgeführt werden. »Es sind auch sehr viele Vogelarten zu hören, die in dieser Vielzahl sonst nicht zu finden sind«, erläuterte der Forstdirektor. Marion Becker hatte schon vor Beginn der Exkursion auf illegale Ablagerungen aufmerksam gemacht, die am Sonntag in Augenschein genommen wurden. Marhold Graner sicherte zu, der Sache nachzugehen. Foto 1: Am Einstieg zum Tiefental erklärt der Obernburger SPD-Ortsvorsitzende Michael Becker (Mitte) den Hintergrund der Begehung. Foto2: Forstdirektor Berthold Ort (links) und Forsttechniker Marhold Graner bei den letzten Vorbereitungen zur Führung durchs Tiefental.
Naturwaldflächen in Obernburg Als einzige Kommune im Landkreis Miltenberg hat sich die Stadt Obernburg mit dem Gedanken einer Naturwaldausweisung beschäftigt. Den Impuls dazu hatte die rotgrüne Stadtratsfraktion mit einem entsprechenden Antrag im Januar 2015 gegeben. Knapp ein Jahr später, im November 2015, hatte Marhold Graner, verantwortlich für die Betriebsausführung, in Frage kommende Flächen vorgelegt, die in den letzten 30 Jahren nur sehr zurückhaltend bearbeitet wurden und sich deshalb für eine Naturwaldausweisung eignen. Es handelt sich um das Tiefental mit 4,6 Hektar, den Salztröglöser mit 1, 9 Hektar, den Sailersrain mit 3,3 Hektar, den Grabenbereich am Obernburger Schützenhaus mit 2,3 Hektar, den Rote-Busch-Graben hinter dem Lauterhof mit 5,7 Hektar und Hangflächen mit insgesamt 18 Hektar entlang der Bundesstraße 469, wobei hier aus Gründen der Verkehrssicherheit ein Teil der Fläche im Auge behalten und notfalls eingegriffen werden muss.