»Wir arbeiten dort, wo andere Urlaub machen« Landrat Scherf wirbt für die Region bei SPD Eschau
Eschau. Es waren nicht nur Anhänger von SPD und Bündnis 90/Die Grünen am Mittwochabend in den Saal des Gasthauses Zum Löwen in Eschau gekommen, um Landrat Jens Marco Scherf Gehör zu schenken. Unter den rund 50 Anwesenden befanden sich auch interessierte Bürger ohne Parteibuch.
In der Reihe »Unser Landrat vor Ort« organisiert die stellvertretende Kreisvorsitzende Helga Raab-Wasse für der SPD-Kreisverband Miltenberg in den Ortsvereinen Veranstaltungen, in den Bürger die Möglichkeit haben, direkt mit dem Landkreischef in Kontakt zu treten. Scherf nutzt dies auch, um immer darauf hinzuweisen, dass er ohne die Unterstützung der Sozialdemokraten keinen so strategisch ausgeklügelten Wahlkampf hätte führen wie zur Kommunalwahl 2014. Der Wunsch der Bevölkerung nach einer anderen Politik, in der nicht alle Entscheidungen schon vorab durch eine Mehrheitspartei getroffen werden, habe wohl den Ausgang der Wahl entschieden. Scherf präferiert eine ergebnisoffene Diskussion, in der die Kompetenz aller einfließen kann, um das beste Ergebnis zu erzielen, wie er am Mittwoch sagte.
Nach der Begrüßung durch die Ortsvorsitzende Petra Weinert berichtete Scherf, er komme gerade von der Einbürgerungsfeier im Landratsamt. »Es ist etwas Besonderes Staatsbürger der Bundesrepublik zu werden«, betonte er und spannte einen Bogen zum europäischen Gedanken. Freiheit und Demokratie seien hier die Basis. Er riet, den rechten Parolen der Populisten entgegentreten, um diese Werte zu erhalten.
In seinem Vortrag fasste Scherf die bedeutendsten Maßnahmen in seiner dreijährigen Amtszeit zusammen, zum Beispiel, dass drei große Schulbauprojekte gleichzeitig begonnen wurden. »Das Ei war gelegt, aber noch nicht ausgebrütet«, witzelte er, und so seien Kreistag und Verwaltung schon zu Beginn der Amtsperiode in ein ambitioniertes Projekt eingestiegen, das erfolgreich unter dem Aspekt von Ökonomie und Ökologie kurz vor dem Abschluss stehe. »Dann kommen die Schulturnhallen und die Berufsschulen dran«, prognostizierte er.
Die Verschuldung werde trotz Rekordinvestitionen zurückgefahren, dabei sei in den vergangenen Jahren die Kreisumlage von 44 auf 38 Prozent in drei Schritten gesenkt worden. »Der niedrigste Hebesatz von ganz Bayern«, betonte er unter Beifall. Grüne und SPD hätten sich damals vehement gegen den Verkauf der Krankenhäuser gewehrt. Aber es sei falsch, nachzukarten. Sich mit allen Akteuren der Gesundheitsversorgung an den Tisch zu setzen, um das Bestmögliche zu erreichen, sei der richtige Weg.
Er nannte ein mittlerweile gegründetes Pflegeforum, eine Vernetzung mit den Hausärzten, die Bereitschaftspraxis und den Weiterbildungsverbund für die Allgemeinmedizin. Für eine Niederlassung von jungen Ärzten zu werben, sie für eine Landarztpraxis zu begeistern und die Attraktivität des Landkreises in den Vordergrund zu stellen, war Scherfs Antwort auf die Frage nach besseren Voraussetzungen für das Medizinstudium, wie die Senkung des Numerus Clausus.
Eine Bündelung der Pluspunkte auch für die Anwerbung von Fachkräften insgesamt sei erforderlich: »Wandern ist nicht alles. Wir haben hier wahnsinnig innovative Betriebe und Vollbeschäftigung. Wir arbeiten dort, wo andere Urlaub machen.«
Auch die Jugendpartizipation werde ernst genommen, hierzu habe bereits eine zweite Fachtagung stattgefunden. In diesem Zusammenhang wurde die Frage gestellt, wie junge Menschen für Politik interessiert werden können mit dem Hinweis, dass zu der Veranstaltung keine gekommen waren. »Dies heute Abend ist nicht das Format für Jugendliche«, sagte Scherf und wies darauf hin, dass der Kreisjugendring gestärkt wurde, um konzeptionell an einer gesellschaftlichen Teilhabe von jungen Menschen zu arbeiten.
Angesprochen wurde auch die Wohnungsnot für syrische Flüchtlinge. Hier wies Scherf auf die in Kooperation mit dem Caritas-Kreisverband geschaffene Fachstelle für Wohnungsvermittlung hin. Die Zahlen der Flüchtlingszuwanderung seien gesunken, erklärte er auf Nachfrage. Für Flüchtlinge ab 16 Jahren seien sechs Berufsintegrationsklassen und eine Sprachintensivklasse an den Berufsschulen geschaffen worden. Ausbildungsangebote mit den Schwerpunkten Handwerk und Pflege würden angeboten. Aktuell befänden sich 19 Jugendliche in einer begleitenden Ausbildung. »Begleitung und Förderung wirkt«, stellte Scherf fest, gab aber zu, dass es nicht ganz ohne Probleme zu meistern sei.
Zur Umgehung im Ortsteil Sommerau kam die Straßenausbaubeitragssatzung für die dann zurückzustufende Durchfahrtsstraße zur Sprache. Dies sahen einige Teilnehmer am Mittwochabend als Thema für alle Anwohner einer zu sanierenden Straße an. Laut Scherf spielt es eine Rolle, in welchem Zustand die Straße übergeben wird, bevor sie abgestuft ist. Bürgermeister Michael Günther machte darauf aufmerksam, dass die Kommune wegen der Engstelle keine Maßnahmen infrastruktureller Art ergreifen konnte, da die Baulast der Elsavastraße beim staatlichen Bauamt liegt. Scherf machte Hoffnung, dass bei einem sachlichen Gespräch zwischen Behörde und Kommune eine bestmögliche Lösung erzielt werden könne.
Artikel Ruth Weitz