Rede zum ordentlichen SPD-Kreisparteitag mit Neuwahlen in Sulzbach am 2. März 2013, 13.30 Uhr
Dr. Ulrich Schüren, Fraktionsvorsitzender
es gilt das gesprochene Wort
Liebe Genossinnen und Genossen,
das Erfreuliche vorweg: Ich werde weniger als 15 Minuten reden und versuchen, einige Bemerkungen zur Politik im Kreis machen: zu Inhalten, Entscheidungsabläufen und zum politischen Klima insgesamt.
Wie ihr ja wisst, bin ich nun seit 17 Jahren Fraktionsvorsitzender im Kreistag und muss nach dieser langen Zeit sagen, dass sich das politische Klima im Landkreis zu unseren Gunsten seit 1996 nicht merklich verbessert hat. Das sage ich nicht aus einer beginnenden Altersdepression heraus oder mit dem Blick auf das Ende meiner Tätigkeit als Fraktionsvorsitzender, sondern als schiere Faktenmitteilung. Es ist einfach so.
Was unserem Kreistag fehlt, ist eine Kultur der offenen politischen Debatte, das Streiten um beste Lösungen, der Austausch von Argumenten und Ideen ohne Häme und elende Besserwisserei. Es mangelt vor allem auch an der Kultur des gegenseitigen Zuhörens und Verstehenwollens.
Fakt ist, dass wichtige Entscheidungen längst in schwarzen Zirkeln gefällt sind , bevor sie in den Kreistag kommen, dass CSU und ihr kläglicher Wurmfortsatz, die Neue Mitte, nicht den vernunftbasierten Diskurs suchen und praktizieren, sondern allein dem Gedanken ihres eigenen Machterhaltes folgen. Entschieden wird meist eben nicht nach den besten Konzepten, Vorlagen oder Ideen, sondern nach faktischer Mehrheit.
Und sollte es hin und wieder zu Situationen kommen, die einen schwarzen Durchmarsch fraglich erscheinen lassen, dann reagiert und handelt Roland Schwing im Kreistag wie seine beiden großen Geschwister Merkel und Seehofer, beide Meister des opportunistischen Kurswechsels auf großer Bühne, ( Abschaffung der Wehrpflicht, Finanztransaktionssteuer, rechtliche Stellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, Abschaffung der Studiengebühren in Bayern, Kita - Ausbau, Ganztagsschule und und und ). Schwing kappt die Segel, macht eine Wende um 180 Grad und tut anschließend so, als ob dies von Anfang an der von ihm vorgegebene Kurs gewesen sei.
Genossinnen und Genossen, jenseits von künftigen Sachfragen der Landkreispolitik muss es unser wichtigstes Ziel sein, durch eine Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Kreistag sowie durch die Auswechslung des führenden Kopfes - genannt Landrat - durch die Wählerinnen und Wähler bildlich gesprochen die Fenster aufzureißen, damit frische Luft hereinkommt und so den schwarzen Mief austreibt.
Ich frage euch, warum haben beim alljährlichen Neujahrsempfang des Landkreises Theologen, Adlige, Unternehmer und stockkonservative Wissenschaftler sprechen dürfen, aber bis heute kein Betriebsrat, kein Gewerkschafter, kein Ehrenamtlicher, kein Vertreter einer gemeinnützigen oder sozialen Einrichtung? Für mich ist die Antwort klar: Man will unter sich sein und die Feier nicht mit kritischen Tönen belasten und damit sein konservatives Klientel verprellen.
Apropos Klientel: Was die CSU - laut Pressebericht - ihrer eigenen Klientel für die Landratswahl als personelle Alternative zu Auswahl anbietet, ist m. E. die Wahl zwischen Skylla und Charybdis oder volkstümlicher, wenn auch nicht treffender, ausgedrückt: zwischen Pest und Cholera.
Liebe Genossinnen und Genossen, ich will hier nicht den Eindruck erwecken, als ob alles, was der Kreistag mit seiner schwarzen Mehrheit in den vergangenen Jahren geleistet hat, schlecht oder unzureichend gewesen wäre. Zahlreiche Projekte sind einvernehmlich und mit sehr breiter Mehrheit verabschiedet und danach auch realisiert worden.
Hierzu drei Beispiele
1.) Wir Sozialdemokraten haben von Beginn an alle Maßnahmen, die dem Ausbau des Bildungswesens dienten, aktiv mitgetragen, sowohl als es um die Kompetenzzentren in Obernburg und Miltenberg ging, als auch bei der Generalsanierung des Schulzentrum Elsenfeld, die mit über 40 Millionen Euro die größte Einzelinvestition war, die der Kreis jemals getätigt hat. Aber wir haben auch frühzeitig auf Fehler in den Planungen und Ausführungen hingewiesen, die nicht berücksichtigt wurden, was zu erheblichen Kostenmehrungen geführt hat. Wir unterstützen auch weiterhin das Schulbauprogramm, das für die kommenden 10 Jahre aufgelegt worden ist und von dem auch unsere anderen kreiseigenen Schulen profitieren werden.
2.) Auf unsere Initiative mit Unterstützung der Grünen ist es zurückzuführen, dass der Landkreis Miltenberg die finanziellen Mittel für Schulsozialarbeit zur Verfügung gestellt hat. Es ist noch immer nicht genug, aber ein sehr hoffnungsvoller Anfang ist gemacht. Hier mussten wir bei den anderen Parteien erhebliche Überzeugungsarbeit leisten und klar machen, dass jeder Euro, der in Schulsozialarbeit gesteckt wird, sich gesamtgesellschaftlich rentiert, wenn man an die Kosten denkt, die entstehen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Dieses Beispiel zeigt, dass es bisweilen gelingen kann, auch die Konservativen von vernünftigen Projekten zu überzeugen.
3.) Kein Vertreter der Kreis - CSU hat sich ernsthaft vor Fukushima um zukunftsfähige Energieerzeugung gekümmert. Das energiepolitische Glaubensbekenntnis lautete: „Atomkraft, Atomkraft, sonst gehen die Lichter aus!“ nach der Merkel-Wende hat die CSU im Kreis gespürt, dass der Wind nun aus anderer Richtung weht. Manches, was da in Berlin verabschiedet wurde, passte so gar nicht in das Weltbild der Schwarzen hier vor Ort.
Wir haben von Anfang an erklärt, dass die Energiewende - auch hier im Kreis - eine Jahrhundertaufgabe ist, dass sie aber nur lösbar sein wird, wenn alle politischen Kräfte mit Überzeugung und ohne Zeitverzug das Ruder herumreißen. Was ich aber täglich erlebe ist die verdruckste Haltung: „Ja, aber...“ Was bisher bleibt, sind Lippenbekenntnisse statt tatkräftigen Zupackens. Ich will nicht im Detail auf die Nutzung der Windenergie kommen, aber wenn ich erlebe, mit welcher Distanz- und Abwehrhaltung man an die Problem herangeht, immer nur die Hindernisse, nie aber die Chancen begreift und in den Blickpunkt rückt, dann, liebe Genossinnen und Genossen, habe ich begründete Zweifel an der Ernsthaftigkeit, Windkraft dort zuzulassen, wo der Wind auch kräftig weht.
Lasst mich noch ein paar Dankesworte sagen an meine Fraktion. Vorsitzender dieser Kreistagsfraktion zu sein, ist wirklich ein Vergnügen. Wir wissen, was wir wollen und sind uns einig darin, dass wir unsere Ziele nur dann werden erreichen können, wenn wir gemeinsam am selben Endes des Seiles ziehen. Auch wenn es andere Gruppierungen gern kleinreden wollen: Wir, die SPD sind die führende Kraft der Opposition im Kreistag und dies soll auch so bleiben!
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir stehen am Beginn einer ereignisreichen und vor allem arbeitsreichen Zeit. In Bund, Land und Kreis wird 2013 und 2014 gewählt. Hier vor Ort, in unseren Gemeinden und auf Kreisebene, bedeutet dies, dass wir alle Kräfte bündeln müssen, um unsere Ideen und Programme den Menschen nahe zu bringen. Das geht nicht nur mit dem Verteilen von Prospekten, sondern vor allem mit persönlichem Einsatz, mit Kompetenz und Überzeugungskraft, die aus der Sachkunde erwachsen. Deshalb bitte ich euch inständig: Bringt euch aktiv ein in die Vorbereitung der anstehenden Wahlen!
Nehmt Einfluss auf die programmatischen Aussagen der Kreis - SPD. Es ist schließlich eure, unsere Partei!
Tretet selbstbewusst auf als Vertreter einer Partei, die trotz mancher Irrungen und Wirrungen auf eine 150-jährige glanzvolle Geschichte zurückblicken kann.
Nehmt ernst, wo den Bürgerinnen und Bürgern der Schuh drückt !
Lasst euch nicht vom politischen Gegner den Schneid abkaufen und denkt daran, dass die Vernunft und die besseren Argumente letztendlich obsiegen werden! Vergesst nicht, wofür wir Sozialdemokraten seit Generationen stehen und immer stehen werden: Für die persönliche Freiheit des Menschen bei uns und anderswo, für eine gerechte Gesellschaftsordnung und für eine solidarische Gemeinschaft. Nicht feierliche Sonntagsreden, sondern die gelebte Solidarität mit den Schwachen ist der Lackmustest für eine humane Gesellschaft .
Meine lieben Genossinnen und Genossen, auch wenn ich ab März 2014 keine Rolle mehr in der Kommunalpolitik spielen werde, verspreche ich euch, meine ganze Kraft in den kommenden Wahlkämpfen einzusetzen. Ich danke euch und Glück auf für eine bessere Zukunft unseres Landkreises!